Der dritte Abschnitt handelt von Mitarbeitern des „Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau“. Das Museum gibt es seit dem 2. Juli 1947. Heute arbeiten etwa 230 Menschen dort. Drei von ihnen erzählen über ihre mehrjährige Arbeit.
Teresa Swiebocka arbeitet dort seit mehr als 30 Jahren. Sie ist stellvertretende Direktorin, und ich bin froh, sie als Gesprächspartnerin gewinnen zu können. Frau Swiebocka hat ihr Büro im Museum Auschwitz im Block 11, wo früher die Kantine der SS-Wachmannschaft war. Eine Frau, die sich durchsetzt, ist mein erster Gedanke, als ich sie sehe. Sie erzählt, wie sie als junge Historikerin Schritt für Schritt immer mehr in das Thema Auschwitz hineingezogen wird und schneidet u. a. das Thema Opferzahlen in Auschwitz an. Das Museum habe jahrelang zwischen den Stühlen politischer Propaganda und wissenschaftlicher Forschung gesessen, sagt sie. Laut Propaganda seien vier Millionen Menschen in Auschwitz ermordet worden, wissenschaftlich bewiesen seien derzeit 1,4 Millionen, wie seit Beginn der 1990er Jahre kommuniziert werde. Auch die Betreuung von Besuchern sei nicht einfach: „Sie konfrontieren uns mit ihren sehr gegensätzlichen, oft auch durchaus umstrittenen Formen des Erinnerns, mit verletzten Gefühlen oder Vorurteilen“, sagt sie. Damit umzugehen, ist auch Teil ihrer Arbeit.
Eine der schwierigsten Aufgaben in Auschwitz ist, als „Guide“ deutsche Gruppen durch die Ausstellung und über das Gelände zu führen. Ewa Pasterak macht das seit vielen Jahren. Wie wir zusammenkommen, weiß ich gar nicht mehr so genau. Irgendwann sitze ich in ihrem Büro und wir sprechen über Auschwitz.
Ich bin geradezu erschüttert von ihrem Einfühlungsvermögen und davon, mit wie viel Verständnis sie über Deutsche spricht, die Auschwitz besuchen. Sie formuliert Beobachtungen – gewonnen in jahrelanger Arbeit – und fasst Gefühle von Deutschen in Worte, über die in Deutschland niemand zu sprechen wagt. „Viele von ihnen haben die Courage und fühlen den Schmerz und das Entsetzen und wissen dann nicht wohin mit diesen Emotionen“, sagte sie. „Wohin mit der Wut darüber, dass es passiert ist. Dass sie Deutsche sind und es an ihnen hängt, was vielleicht ihre Urgroßeltern oder Großeltern oder auch Eltern verursacht haben. Die Deutschen leiden hier unter ihrer Geschichte.“
Andrzej Kacorzyk, Leiter des internationalen Bildungszentrums des Museums, treffe ich zufällig nach dem Gespräch mit Frau Swiebocka. Sie stellt mich vor und sagt: „Wenn sie mehr über Auschwitz als Bildungszentrum wissen wollen, müssen sie Herrn Kacorzyk fragen.“ Wir verabredeten uns zwischen Tür und Angel für den nächsten Tag.
Herr Kacorzyk wirft neue Ideen auf und skizziert, welche Bedeutung Auschwitz für die Zukunft beigemessen werden könnte. Zurückhaltend und entschlossen sagt er, dass die EU sich finanziell am Museum beteiligen solle. Und er stellt die Frage, ob man nicht hier ein Ausbildungszentrum für Diplomaten aus aller Welt gründen solle. Mit Auschwitz könne man am konkreten Beispiel zeigen, was am Ende falscher Politik stünde.